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Kultur - 30.10.2018

Was Sie über die Sonne wissen müssen

Das Morgenland betet den halben Mond, das Abendland die Sonne an. Wie der Stern unseres Systems zum göttlichen Gleichnis wurde und zum Schöpfer der Aufklärung. Über den Kernfusionsreaktor der Welt. 0

Tag für Tag geht sie im Osten auf. Im Westen geht sie unter. Sie bescheint das Morgen- wie das Abendland, wobei der Orient die Sonne kritischer betrachtet als der Okzident. Über der Wüste brennt sie unerbittlicher als über Wiesen und Wäldern.

Im Koran heißt es in Sure 6, Vers 78: „Als er dann die Sonne aufgehen sah, sagte er: ‚Das ist mein Herr.‘ Als sie aber unterging, sagte er: ‚Oh mein Volk, ich sage mich von dem los, was ihr Ihm beigesellt.“ Vers 79: „Ich wende mein Gesicht Dem zu, Der die Himmel und die Erde erschaffen hat, als Anhänger des rechten Glaubens, und ich gehöre nicht zu den Götzendienern.“

Der Prophet will damit sagen, dass die Sonne nur ein brütend heißer Stern und nicht Allah ist. Dafür feiert der Koran den Mond mit einer eigenen Sure. Im Islam ist es der Mond, der mahnt und straft, der Ramadan beginnt unter der aufgehenden Mondsichel, das Hoheitszeichen ist der Halbmond.

So vermeidet der Muslim ein theologisches Dilemma, das die Bibel schon in der Genesis aufwirft: Gott erschafft die Welt und überlässt sie als geschlossenes System sich selbst. „Du sollst dir kein geschnitztes Bild machen, noch irgendein Gleichnis dessen, was oben im Himmel ist“, so steht es in der heiligen Schrift. Im Himmel hängt die Sonne.

Deshalb hat das Christentum sich nie um das Verbot, das Göttliche zu illustrieren, geschert. Jede Monstranz ist eine Sonne am Stiel, Madonnen tragen Strahlenkränze, Jesus Christus ist die wahre Sonne, sein Geburtstag fällt zusammen mit der Wintersonnenwende, und der Sonntag ist der Tag des Herrn.

Es ist, als wären alle altägyptischen, altnordischen, fernwestlichen und fernöstlichen Sonnenkulte in der Bibel eins geworden. Dass Gott und die Sonne eins sein könnten, hat dann auch die Aufklärung bestätigt. Erst setzte Kopernikus die Sonne in die Mitte.

Als der Mensch sich mit der Kränkung, dass sich nicht alles um ihn dreht, abgefunden hatte, musste er erkennen, dass die Sonne auch nicht mehr ist als ein ferner und gewaltiger Kernfusionsreaktor, der die Erde und den Mond, das Wasser und alle Geschöpfe, einschließlich des Menschen selbst, erschaffen hat. Vom Wasserstoff bis zum Uran. Die Sonne ist der Brutofen der Elemente und die Mutter der Materie. Sie wird nie vom Himmel fallen, singen Rammstein.

Goethe schreibt an Eckermann: „Fragt man mich, ob es in meiner Natur sei, Jesus Christus anbetende Ehrfurcht zu erweisen, so sage ich: Durchaus! Fragt man mich, ob es in meiner Natur sei, die Sonne zu verehren, so sage ich abermals: Durchaus! Ich anbete in ihr das Licht und die zeugende Kraft Gottes.“ Darauf, auf die heilige Vernunft des Abendlandes, einen Sonnengruß im Yoga. Jeder Sonnenuntergang ist auch ein Untergang des alten Westens vor dem neuen Aufgang.

Nasa-Sonde „Parker Solar Probe“ auf dem Weg zur Sonne Das Video konnte nicht abgespielt werden.
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Mit einem Tag Verspätung konnte die Nasa-Sonde zur Sonne starten. Mit der „Parker Solar Probe“ will die Nasa die äußere Atmosphärenschicht der Sonne, die sogenannte Korona, erforschen.

Geht das Abendland unter? Für alle Fälle stellen wir in dieser Serie noch einmal seine Zutaten vor. Alle bisher erschienenen Folgen auf welt.de/abendland

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