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Sport - 09.02.2019

Bayer im Bosz-Modus

Leverkusen zerlegt Mainz mit einer überragenden Offensiv-Leistung. Das hat man bei Teams von Trainer Peter Bosz auch früher schon gesehen, doch bei Leverkusen scheint der Trainer seine Prioritäten nun klüger zu setzen.

Keine strittige Schiedsrichter-Entscheidung, kein Last-Minute-Gegentor, keine spielentscheidenden Verletzungen – wenn man dem Gegner in allen Belangen unterlegen ist, geht das Interview nach dem Spiel oft überraschend einfach über die Lippen. „Leverkusen hat es einfach überragend gemacht“, fasste der Mainzer Daniel Brosinski die 1:5-Heimpleite seines Teams zusammen.

Treffender konnte man die zurückliegende Partie kaum beschreiben. Leverkusen zeigte eine sehr starke Vorstellung, kurios ist allerdings: Betrachtet man die mit 24 Torschüssen, Chancen im Minutentakt, zwei Aluminium-Treffern, den vier Leverkusener Treffern durch Wendell (5.), Havertz (20.), Brandt (30.) und Bellarabi (43.) und insgesamt fünf Toren torreichste erste Hälfte der bisherigen Saison, liegt der Schluss nah: Das war die überragende Halbzeit. 

Mahnendes Beispiel Dortmund 

Peter Bosz gewann bislang drei seiner vier Bundesliga-Partien mit Bayer

Rein offensiv betrachtet war sie das auch. Schaut man jedoch auf die Dortmunder Amtszeit von Leverkusens Trainer Peter Bosz zurück stellt man sich dann die Fragen: „Kann der Niederländer bei seiner zweiten Bundesliga-Station mehr als nur ein Strohfeuer wie damals in Dortmund entfachen?“ Und: „Kann Bosz mit Leverkusen nachhaltig Erfolg haben?“, dann kommt man zu dem Schluss: Die eigentlich überragende Halbzeit war die Zweite. Denn die deutet darauf hin, dass die Antwort auf diese fragen „Ja“ lauten kann. 

Zwar fiel nur noch ein Tor, das 5:1 durch Brandt (63.), doch bedeutet der zweite Durchgang für den niederländischen Offensiv-Liebhaber und sein neues Team ganz klar einen Fortschritt und nicht „nur“ ein Spektakel. Begeisternden Offensiv-Fußball und einen anfänglichen Lauf kennt man von Peter Bosz aus seiner Zeit bei Borussia Dortmund, mit denen er 2017/18 mit sechs Siegen aus den ersten neun Pflichtspielen einen guten Start hingelegt hatte. Doch so steil die Kurve zu Beginn seiner Amtszeit nach oben zeigte, so rapide fiel der Kurs plötzlich. Als die Gegner in der Bundesliga sich auf den Bosz-Stil eingestellt und erkannt hatten, dass die bedingungslose Offensive den BVB unter ihm nicht nur berauschend, sondern leicht verwundbar gemacht hatte, war der „Bosz-Effekt“ ganz schnell verflogen. 

„Sowas darf nicht passieren“

Auch diesmal erinnerte der Auftritt ein wenig daran. Bei aller Offensiv-Begeisterung, die Bosz‘ Team in Mainz entfachte: Im ersten Durchgang wirkte die Abwehr mehrfach ungeordnet bis konfus. Da war er dann wieder: Der alte „Bosz-Defensiv-Schlendrian“. Doch im Gegensatz zu seiner Zeit beim BVB, als Bosz mit seinem Team irgendwann Woche für Woche in die gleiche Falle rannte und sein Fazit nach den Spielen fast jedes mal mit einem „sowas darf nicht passieren“ abschließen musste, bezog sich das „sowas darf nicht passieren“ am Eurosport-Mikro auf einzelne Situationen in der ersten Halbzeit. Sie sind zwar dennoch passiert, doch dieses Mal haben Bosz und sein Team Antworten gefunden.

Reifezeugnis in der zweiten Halbzeit

Bosz‘ und seine neue Mannschaft zeigten, dass sie ihr Spiel auch anders gestalten können – wenngleich gegen einen geschlagenen Gegner, der vielleicht nicht mehr als echter Gradmesser taugte. Dennoch: Leverkusen stand gut, agierte aus einer kontrollierten Defensive und suchte mit der Führung im Hinterkopf sein Heil in der Offensive zwar immer wieder, aber stets punktuell. Das kannte man beim BVB unter dem Niederländer auch anders.

„Die Art und Weise, wie wir gespielt haben, hat mir sehr gefallen. Wir haben zwei verschiedene Halbzeiten gezeigt. In der ersten haben wir offensiv sehr stark gespielt, in der zweiten haben wir vor allem das Positionsspiel gut gestaltet und haben ruhig gespielt“, sagte der Trainer in seiner Analyse bei Eurosport nach dem Spiel. Und wieder erinnert man sich an die wöchentlichen Interviews nach Niederlagen mit dem BVB, in denen Bosz ein ums andere mal sein „so etwas darf nicht passieren“ als Gesamtfazit bemühen musste.

Auf dem richtigen Weg 

Julian Brandt gehört zu den stärksten Spielern unter dem neuen Trainer

Es scheint, als habe der Trainer aus seinen Fehlern und den bitteren Erfahrungen in Dortmund viel gelernt. Er hat sein Konzept nicht verzweifelt über Bord geworfen, er hat es erweitert – um defensive, taktische Denke, um Varianten der Spielführung. Peter Bosz scheint seit seinem Aus in Dortmund, als viele ihn für alle Zeiten abschrieben, als Trainer gereift zu sein. Jetzt geht es für den Niederländer darum, diesen Eindruck dauerhaft zu bestätigen.

„Wir alle wissen, dass unser Trainer ein kleiner Perfektionist ist“, sagte der mit zwei Toren und zwei Vorlagen überragende Mann des Abends Julian Brandt nach der Partie. Dabei grinste der Nationalspieler über das ganze Gesicht. Inhaltlich und mimisch hatte man in Dortmund selten einen Spieler so gesehen, als der Trainer noch Peter Bosz hieß. Man wünscht dem Niederländer, dass sein Erfolg dieses Mal von längerer Haltbarkeit ist. Für den Moment ist Bayer Leverkusen im Bosz-Mode. Und für den Moment sollten das auch alle im Klub genießen – vor allem der Trainer.

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