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Sport - 05.07.2019

Sexueller Missbrauch in Afghanistan: FIFA spielt zynisches Spiel

Während der Weltfußballverband den Frauenfußball bei der WM zelebriert, tritt er ihn in anderen Regionen mit Füßen. Der sexuelle Missbrauch afghanischer Nationalspielerinnen ist für die FIFA nur eine lästige Randnotiz.

Dare to shine! Habe den Mut zu glänzen! Das ist das Motto dieser Frauenfußball-WM. Plakate mit diesem Werbeslogan hängen überall, in den Innenstädten und den Stadien Frankreichs, sie flimmern über den Bildschirm und senden die Botschaft hinaus in die Welt. In einem Werbespot erklären prominente Spieler, was sie unter diesen drei Worten verstehen. So meint Pablo Aimar, ehemaliger argentinischer Nationalspieler und jetziger Co-Trainer: „Sei du selbst, mache dich frei von dem ganzen Druck, den Vorurteilen.“ „Du hast die Möglichkeit, etwas Außergewöhnliches und Besonderes zu tun“, sagt die deutsche Ex-Nationalspielerin Celia Sasic. Und Brasiliens Rekordspielerin Marta erklärt: „Es soll dich motivieren, in deinem Leben Risiken einzugehen, dass man keine Angst zu haben braucht, Fehler zu machen.“

Während derzeit in Frankreich die besten Fußballerinnen der Welt um den WM-Titel spielen, kämpfen die afghanischen Nationalspielerinnen um etwas viel Wichtigeres als eine Trophäe: um Gehör. Um Würde. Um ihre eigene Identität. Sie haben gewagt, etwas auszusprechen, was in ihrer Gesellschaft nicht geduldet wird: Dass sie von Funktionären ihres eigenen Verbandes sexuell belästigt, vergewaltigt, physisch und psychisch misshandelt wurden und werden.

Schöne heile FIFA-Welt

„Sie haben ihr ganzes Leben aufgegeben, alles, wofür sie früher gekämpft haben: für ihr Land Fußball zu spielen, die Menschen stolz zu machen“, erklärt Nationaltrainerin Kelly Lindsey mit Tränen in den Augen und stockender Stimme bei einer Pressekonferenz von „AFDP Global“, einer Organisation, die Toleranz und Respekt im Fußball fördert. „Obwohl die jungen Frauen den Mut gehabt haben, die Wahrheit zu sagen, müssen sie sich nun verstecken. Sie können ihr Gesicht nicht mehr zeigen, werden verstoßen. Ihre Familien werden bedroht.“

Mutige Frauen: die afghanische Frauenfußballnationalmannschaft

Keine acht Stunden später, nur rund 20 Kilometer von der Altstadt Lyons entfernt, lässt die FIFA im „Parc Olympique Lyonnais“, der Hochburg des Frauenfußballs, das zweite Halbfinale der Weltmeisterschaft anpfeifen. Gut gelaunte Zuschauer aus der ganzen Welt kaufen die offiziellen Fanshops der FIFA leer und feiern sich und die beiden Teams, die Niederlande und Schweden.

„So etwas passiert halt“

„Im Februar, März vergangenen Jahres waren wir für ein Trainingscamp in Jordanien, und die Spielerinnen begannen erst zögerlich, dann immer vehementer, sich über die zwei mitgereisten männlichen Funktionäre zu beschweren, die immer bei Reisen dabei waren“, berichtet die afghanische Nationaltrainerin Lindsey im Gespräch mit der Deutschen Welle. „Diese würden sie belästigen, in ihre Zimmer gehen, sie zwingen, in ihre Zimmer zu kommen – die Mädels fühlten sich alle unwohl. Gerüchte um sexuellen Missbrauch machten die Runde.“ Die ehemalige US-Nationalspielerin informierte sofort den afghanischen Fußballverband AFF. Die Reaktion? „So etwas passiert halt.“ Auch bei der FIFA war es schwer, überhaupt Gehör zu finden. Als sie endlich jemanden fanden, der bereit war, sich mit dem Thema zu beschäftigen, fühlte es sich wie ein achtmonatiges Tennismatch an, sagt Lindsey.

Afghanistans Nationaltrainerin: Kelly Lindsey

„Es ging hin und her. Wir versuchten, die FIFA zur Verantwortung zu ziehen. Die wollten das Problem an die UN abgeben, wieder zurück zur FIFA, wieder zurück zur UN.“ Das Gefühl, dass tatsächlich etwas unternommen würde, hatte Lindsey nicht. „Währenddessen wurden die Mädchen immer verzweifelter, wurden weiterhin missbraucht. Wir mussten irgendwie sicherstellen, dass sie sicher waren. Wir mussten versuchen, sie außer Landes zu bringen, so dass sie offen reden konnten.“ Das Gefühl, keine Stimme zu haben, nicht gehört zu werden, sei das Schlimmste, sagt die Trainerin: „Es ist erschreckend zu erfahren, dass dir niemand zuhört, dass du einfach so weitermachen sollst, als sei nichts passiert.“

Zwischen Rapinoe-Wahn(sinn) und Realität

Auch das Fußballgeschäft läuft weiter, als sei nichts passiert. Auch die Medien spielen mit, feiern prominente Spielerinnen, die sich eindrucksvoll für Gleichberechtigung und gegen Diskriminierung einsetzen. Jeder Sender, jede Zeitung, jede Website berichtet über die US-Amerikanerin Megan Rapinoe, die bei einem möglichen Titelgewinn „nicht ins verdammte Weiße Haus gehen will.“, wie die 33-Jährige sagte. Das Thema Missbrauch dagegen ist zu schwer, als dass es sich gut verkaufen ließe.

Einen Tag nach Beginn der Frauen-WM veröffentlicht die FIFA ein Statement auf ihrer Webseite, tief versteckt in den Navigationsmenüs, dass sie „Mr. Keramuudin Karim, ehemaliger Präsident des Afghanischen Fußballverbandes und ehemaliges FIFA-Mitglied, für schuldig befindet, seine Position ausgenutzt zu haben, um verschiedene weibliche Spielerinnen sexuell zu missbrauchen.“ Die FIFA sperrt Karim lebenslänglich, er muss eine Geldstrafe zahlen. Andere Funktionäre, die die Spielerinnen ebenfalls belästigt haben sollen, werden nicht erwähnt.

Moralisch einwandfrei

Gründer von AFDP Global: Prinz Ali (2.v.l.)

„Die weiteren Angeklagten sind Mitglieder des afghanischen Fußballverbands. Die Regierung hat Ermittlungen aufgenommen. Der Generalsekretär hat ein Reiseverbotauferlegt bekommen“, erklärt Prinz Ali bin al-Hussein von Jordanien, der Gründer von „AFDP Global“ gegenüber der DW. „Gleichzeitig aber wurde der Generalsekretär zum Repräsentanten des asiatischen Fußballverbands bei der FIFA gewählt. Das ist völlig bizarr, dass er den Integritätscheck der FIFA bestanden hat.“

„Die FIFA kehrt das Problem einfach unter den Teppich“, erklärt die afghanische Nationaltrainerin Lindsey. Die lebenslange Suspendierung eines einzigen Mannes sei nur passiert, „um der Welt zu zeigen, dass wir etwas getan haben. Aber die FIFA muss sich endlich engagieren, um eine systematische Veränderung herbeizuführen. Täter müssen zur Verantwortung gezogen werden und Opfer geschützt werden. Es ist einfach nicht genug.“

„Infantino ist eine Schande“

Lindsey wirft insbesondere FIFA-Präsident Gianni Infantino straflässige Untätigkeit vor: „Er ist eine Schande. Er hat seine Integrität verloren. Und ehrlich gesagt: Er ist nicht mein Präsident. Er steht nicht zu den eigenen FIFA-Menschenrechtsrichtlinien. Er dürfte nicht mehr Präsident sein, nach all dem, wie die FIFA mit diesem Skandal umgegangen ist.“ 

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Infantino wird am Sonntag im Stadion in Lyon sein, wenn die Fußball-Weltmeisterinnen gekürt werden. Er wird sagen, dass die Spielerinnen den Mut hatten zu glänzen und unter Konfettiregen den WM-Pokal überreichen. Über die missbrauchten afghanischen Nationalspielerinnen wird er dagegen wohl kein einziges Wort verlieren.

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