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Wissen - 05.12.2018

Medizinische Weltneuheit: Kind wächst in Uterus einer Toten heran

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05.12.18
– 01:12 min


Für eine Gebärmutter-Transplantation müssen Ärzte bislang lebende Spenderinnen suchen. Nun gelingt Medizinern erstmals mit dem Uterus einer Toten eine erfolgreiche Schwangerschaft. Der Durchbruch könnte vielen Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch neue Hoffnung geben.

Zum ersten Mal überhaupt hat eine Frau mit der Gebärmutter einer toten Organspenderin ein Kind zur Welt gebracht. Das Kind kam nach unauffälliger Schwangerschaft schon Ende 2017 in Brasilien zur Welt, wie das Team um Dani Ejzenberg von der Uniklinik São Paulo im Fachblatt "The Lancet" berichtet. Die Mediziner sprechen von einem Machbarkeitsnachweis, der für viele Frauen die Chance auf Nachwuchs deutlich verbessere. Ein italienischer Mediziner nennt den Erfolg in einem "Lancet"-Kommentar einen "Durchbruch auf dem Gebiet der Gebärmutter-Transplantationen".

Die erste Geburt nach der Verpflanzung einer Gebärmutter hatten im September 2013 schwedische Mediziner erreicht – allerdings stammte jenes Organ von einer lebenden Spenderin. Seitdem sind laut "Lancet" weltweit elf solche Kinder zur Welt gekommen. Dagegen waren bislang alle Versuche mit Organen Verstorbener gescheitert.

Die brasilianischen Ärzte behandelten nun eine Frau mit dem sogenannten Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom (MRKHS) – einer seltenen angeborenen Fehlbildung, bei der vor allem die Gebärmutter fehlt oder kaum ausgebildet ist. Im September 2016 bekam die damals 32-Jährige die Gebärmutter einer 45-jährigen Frau implantiert, die in ihrem Leben drei Kinder natürlich zur Welt gebracht hatte. Die Spenderin hatte nach einem Schlaganfall den Hirntod erlitten.

Medizinischer Meilenstein

In einer mehr als zehnstündigen Operation pflanzte das Team um Ejzenberg der 32-Jährigen das Organ ein und vernähte es mit den Blutgefäßen und der Vagina. Die Empfängerin, die Immunsuppressiva einnahm, entwickelte fünf Monate später regelmäßige Menstruationen.

Schon vor der Transplantation waren der Frau Eizellen entnommen und künstlich befruchtet worden. Sieben Monate nach dem Eingriff erhielt sie die befruchteten Eizellen, die sich in der eingepflanzten Gebärmutter normal entwickelten. In der 36. Schwangerschaftswoche brachten die Ärzte dann per Kaiserschnitt ein 2550 Gramm schweres und 45 Zentimeter großes, gesundes Mädchen zur Welt. Bei dem Eingriff wurde die Gebärmutter wieder entfernt. Sieben Monate nach der Geburt waren Mutter und Kind dem Bericht zufolge wohlauf.

"Die Nutzung verstorbener Spenderinnen könnte den Zugang zu dieser Behandlung deutlich ausweiten, und unsere Resultate belegen die Machbarkeit einer neuen Option für Frauen mit Gebärmutter-basierter Unfruchtbarkeit", wird der Gynäkologe Ejzenberg in einer "Lancet"-Mitteilung zitiert. Die ersten Geburten nach Gebärmutter-Transplantationen von lebenden Spenderinnen seien ein medizinischer Meilenstein gewesen, allerdings seien solche Spenden sehr selten. "Die Zahlen von Menschen, die bereit sind, Organe nach ihrem Tod zu spenden, sind viel größer als die von Lebendspendern und bieten damit viel größeres Potenzial."

Uterus auf Zeit

Der Reproduktionsmediziner Antonio Pellicer von der IVI-Klinik für Reproduktionsmedizin in Rom bemühte sich in seinem Kommentar um ein Einordnung des Durchbruchs. Nun müsse man klären, welche Gruppen als Spenderinnen und Empfängerinnen infrage kämen und welches Vorgehen sowohl bei der Transplantation als auch bei der anschließenden Weiterbehandlung am erfolgversprechendsten sei. "Alles in allem sollte die Forschung auf diesem Gebiet (von lebenden wie von verstorbenen Spenderinnen) die Rate der Lebendgeburten maximieren, die Risiken für die am Vorgehen beteiligten Patienten (Spenderin, Empfängerin und ungeborenes Kind) minimieren und die Verfügbarkeit von Organen erhöhen."

Das Besondere sei, dass es bei dem Eingriff um eine zeitlich begrenzte Transplantation gehe, erklärte Xavier Rogiers, Leiter des Transplantationszentrums am Universitätsklinikum im belgischen Gent. "Der Uterus wird nach ein oder zwei erfolgreichen Schwangerschaften wieder entfernt, deshalb kann die Immunsuppression gestoppt werden." Diese Form der Transplantation habe alle Chancen, eine sehr wichtige Rolle in der künftigen Behandlung von solchen Formen der Unfruchtbarkeit zu spielen. Die Entnahme des Uterus könne nach ersten Erfahrungen seines Teams leicht in den gängigen Entnahmeablauf bei Organspenden integriert werden. Voraussetzung sei ein sehr erfahrenes Team von auf Gebärmütter spezialisierten Transplantations-Chirurgen.

Skeptischer ist Matthias Beckmann, Direktor der Frauenklinik am Universitätsklinikum Erlangen. Er sei nicht davon überzeugt, dass die Transplantation von Uteri verstorbener Frauen in die klinische Routine eingehen wird, sagte er. Der Uterus werde bei einer Organspende als Letztes entnommen – wodurch seine Qualität sinke. "Die strukturellen Voraussetzungen bei Entnahme- und Implantationsort, die Kenntnisse über die Kurzzeit- und Langzeitfolgen, die Information zur Modifikation der Technik und so weiter sind allesamt Hinweise darauf, dass dieses Verfahren eigentlich ein Verfahren sein sollte, was nur in hoch spezialisierten Zentren selektiv durchgeführt wird."

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