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Kultur - 13.11.2018

„Woody Allen ist an allem schuld“

Der Hollywoodstar Jeff Goldblum veröffentlicht sein erstes Album als Jazzpianist. Ein Gespräch über Aliens und alterierte Skalen, Disziplin und große Improvisatoren. 0

Man kennt ihn aus Blockbustern wie „Jurassic Park“ oder „Independence Day“. Nicht so bekannt ist hingegen, dass der Hollywoodstar Jeff Goldblum seit seiner Kindheit Jazzklavier spielt. Am 9. November erscheint nun Goldblums Plattendebüt „The Capitol Studio Sessions“ (Decca/Universal) mit Gästen wie der Komikerin Sarah Silverman und dem Trompeter Till Brönner. Am 21. November tritt er mit seinem Mildred Snitzer Orchestra, hinter der sich in Wahrheit eine kompakte Jazzcombo verbirgt, im Berliner Admiralspalast auf. In einem Londoner Taxi auf dem Weg zum Flughafen nimmt sich der 65-Jährige am Telefon dafür Zeit, mit uns über Außerirdische, Thor und einen Trompete spielenden Robocop zu plaudern.

WELT: Hallo Herr Goldblum! Heute schon Klavier gespielt?

Jeff Goldblum: Oh ja, natürlich! Ich bin heute besonders früh aufgestanden, um meine morgendliche Routine durchzuziehen: Ich habe mich an den Flügel in der Lobby meines Londoner Hotels gesetzt und bin fleißig Stücke durchgegangen.

WELT: Ist es wahr, dass Sie jeden Morgen um 5.30 Uhr aufstehen, um Klavier zu üben?

Goldblum: Ja, das ist meine Morgenroutine, jeden Tag. Ich habe ein einjähriges und ein dreijähriges Kind zu Hause. Um 7.30 Uhr wecken meine Frau Emilie und ich die beiden fürs Frühstück und den Kindergarten. Ich mag es, meine täglichen Hausaufgaben vorher schon gemacht zu haben. Also stehe ich früh auf, trainiere ein bisschen, und dann übe ich eine Stunde lang Klavier. Momentan hauptsächlich die Sachen, die wir jetzt auf Tour spielen. Ich gehe die Songs durch, versuche, tiefer in sie einzudringen, und schaue, was man noch herausholen kann. Mein Vater hatte eine große Arbeitsethik. Ich denke, ich fange endlich an, ihm in dieser Hinsicht nachzueifern.

WELT: Das mit dem Jazz scheint Ihnen sehr ernst zu sein …

Goldblum: Ich habe mein Leben darauf gegründet, ein demütiger Schüler der Schauspielkunst zu sein. Gleichzeitig spielte ich aber auch immer Klavier. Ungefähr vor 30 Jahren riet mir jemand: Hey, du solltest dir einen wöchentlichen Gig mit richtig guten Musikern besorgen. Das macht Spaß und du wirst besser. Ich habe diesen Rat befolgt. Wenn ich nicht als Schauspieler arbeite, spiele ich Klavier. Dadurch habe ich es automatisch ernster genommen und lerne immer mehr dazu. Ich liebe es abgöttisch.

WELT: Was ist eigentlich fieser: Aliens oder alterierte Skalen?

Goldblum: Nun, Aliens gibt es nur in der Fantasie, alterierte Skalen sind verdammt echt. Beide erfordern allerdings deine gesamte Aufmerksamkeit. Ich bin jedenfalls froh, mich mit musikalischen Problemen auseinandersetzen zu müssen und nur ab und zu von Aliens herausgefordert zu werden.

WELT: So alle zehn bis 20 Jahre etwa?

Goldblum: So ist es.

WELT: Wie sind Sie zum Jazz gekommen?

Goldblum: Wegen Erroll Garner. Er war einer meiner frühesten Einflüsse, mein Vater liebte ihn. Einmal brachte er die Platte „Erroll Garner Plays Misty“ nach Hause. Das war eine der ersten Platten, die ich immer und immer wieder gehört habe. „Misty“ war auch eines der ersten Stücke, das ich auf dem Klavier gelernt habe.

WELT: Warum sind Sie dann Schauspieler geworden und nicht Jazzmusiker?

Goldblum: Die fixe Idee, Schauspieler zu werden, ergriff von mir auf schlimmste Weise Besitz, als ich ein kleiner Junge war, so mit zehn. Ich war fest entschlossen, auf diese wilde, unwahrscheinliche Odyssee zu gehen. Auf wundersame Weise wurde sie wahr. Und ich habe nach wie vor das Gefühl, dass meine besten Tage noch vor mir liegen. Das mit dem Klavier spielte sich ungefähr zu der gleichen Zeit ab, aber ich dachte nie, dass ich damit Karriere machen könnte. Mein Herz war schon an die Schauspielerei vergeben. Dennoch: Ich liebte es und verfolgte das Klavierspielen weiter. Ich habe in jugendlicher Vermessenheit in Cocktailbars in und um Pittsburgh herum gespielt, wo ich herkomme. Ich hatte auch immer ein Klavier in meinen Wohnungen stehen. Ich bin so dankbar dafür, jetzt diese Platte veröffentlichen zu können.

WELT: Wie kam es zu diesem späten Plattendebüt?

Goldblum: Die Verantwortlichen von Decca Records sahen meinen Auftritt in der Fernsehshow von Graham Norton, in der ich den Sänger Gregory Porter bei „Mona Lisa“ am Klavier begleitete. Eigentlich war ich ja in der Sendung, um für „Thor: Tag der Entscheidung“ die Werbetrommel zu rühren. Da entstand die Idee, ein Album aufzunehmen. Ich lud die Leute von der Plattenfirma zu meiner Show ein, die ich jeden Mittwoch in Los Angeles mache, wenn ich nicht arbeite. Sie findet in einem Club namens „Rockwell“ in Los Feliz statt. Wir machen auch kleine Spielchen bei den Gigs und Witze, es ist sehr spontan. Die Leute lachen viel. Sie sollten auch mal dorthin kommen! Die Plattenleute sahen sich das jedenfalls an und brachten mich mit dem Produzenten Larry Klein in Verbindung. Er sagte: Ihr Jungs macht da wirklich etwas Besonderes, das ist echter Jazz, aber es erinnert mich an die Zeiten, als Jazzkonzerte gesellschaftliche Events waren, zu denen man ging, um Spaß zu haben. Wir haben versucht, den Geist der Shows im Rockwell heraufzubeschwören und die Capitol Studios in einen Club mit Live-Publikum verwandelt. Larry Klein brachte die Sängerinnen Haley Reinhart und Imelda May mit ins Projekt sowie Till Brönner, der wirklich spektakulär ist, möglicherweise der beste Trompeter der Welt. Ich fragte dann noch Sarah Silverman, ob sie eine Nummer singen will, sie ist eine Freundin von mir. Es war eine glorreiche Erfahrung!

WELT: Braucht die Welt mehr Jazz in Zeiten wie diesen?

Goldblum: Das Besondere am Jazz ist ja: Enge Zusammenarbeit ist das Wichtigste. Aufgrund seines improvisatorischen Charakters muss man einander ganz genau zuhören. Ich denke, nichts Feindseliges oder Bösartiges kann ausbrechen, wenn man auf den anderen auf diese Weise achtgibt und gemeinsam Musik macht.

WELT: Ist es nicht so, dass der Jazz es sehr schwer hat in den USA? Viele Künstler haben das Gefühl, dass ihre Musik in Europa mehr geschätzt wird.

Goldblum: Das könnte sein. Ich bin da kein Experte. Aber das ist zumindest eine Geschichte, die schon lange erzählt wird. Ich liebe den Film „Round Midnight“, in dem die von Dexter Gordon gespielte Figur nach Europa gehen muss, um aufzublühen.

WELT: Apropos Jazzfilme. Es gab da in letzter Zeit einige – „Whiplash“, „Born to Be Blue“, „Miles Ahead“. Warum haben Sie da nicht mitgespielt?

Goldblum: Ich weiß es nicht. Ich habe sie aber alle gesehen! Ich bewundere Don Cheadle als Miles Davis und meinen Freund Ethan Hawke als Chet Baker. Ich schaue mir jede Dokumentation und jeden Film über diese Jazzgrößen an. Ich habe aber mal einen Film mit dem Titel „Lush Life“ gemacht, in dem Forest Whitaker so tat, als ob er Trompete spielen könnte, und ich, als ob ich ein Saxofonist wäre. Ich habe auch ein bisschen Klavier gespielt. Das versuche ich sowieso immer hineinzuschmuggeln. Selbst in einen Film wie „Thor: Tag der Entscheidung“. Der Regisseur Taika Waititi kam zu einem meiner Gigs und meinte danach, dass meine Figur, der Grandmaster, doch Klavier spielen könnte.

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Omar Tsereteli ist ein Wachmann mit einer großer Leidenschaft – Klavierspielen. Abends setzt er sich in die georgische Nationalbibliothek und spielt. Der wunderbare Klang begeistert bereits das Netz.

WELT: Welchen berühmten Jazzmusiker würden Sie denn gerne mal in einem Film spielen?

Goldblum: Hmm, ich weiß nicht, für wen ich der Richtige wäre. Vielleicht Dave Brubeck? Oder Bill Evans?

WELT: Auch wegen der bemerkenswerten Brillen?

Goldblum: Ja, ich mag Bill Evans’ Brillen. Und seinen Style, vor allem in den 50ern und 60ern.

WELT: Sie sagten es bereits: Sie spielen jede Woche in einem Jazzclub. Das erinnert an einen berühmten Filmemacher aus New York …

Goldblum: Ja, ja, Woody Allen …

WELT: Würden Sie auch die Oscar-Verleihung absagen, wenn Sie an dem Abend einen Jazzgig hätten?

Goldblum: Guter Witz! Nein, im Ernst: Er ist einer der Gründe, weshalb wir diese Band gegründet haben. Ich habe früher manchmal mit Peter Weller gejammt, er spielt Trompete …

WELT: Der Peter Weller aus „RoboCop“?

Goldblum: Genau. Peter drehte einen Film mit Woody Allen und erzählte ihm von unseren Jams. Woody Allen sagte: Ja, ich kenne Jeff noch aus „Der Stadtneurotiker“. Ihr solltet es so machen wie ich und euch eine wöchentliche Auftrittsmöglichkeit besorgen. Dann werdet ihr besser. So gesehen, ist Woody Allen schuld an allem.

WELT: Wer ist eigentlich diese Mildred Snitzer, nach der Sie Ihre Band genannt haben?

Goldblum: Sie war eine Freundin unserer Familie. Sie war eine wundervolle Frau, besuchte uns oft und machte uns Sportübungen vor, sie war ihrer Zeit weit voraus und wurde über 100 Jahre alt. Das Playboy Jazz Festival lud uns einmal zu einem Konzert in der Hollywood Bowl ein, und wir mussten uns schnell einen Namen überlegen. Der fiel mir sofort ein. Ich fand ihn lustig. Dabei ist es geblieben. Und sie kam auch zu einem unserer Gigs und überraschte uns.

WELT: Mochte sie es?

Goldblum: Ja! Sie tanzte!

Jeff Goldblums Mildred Snitzer Orchestra spielt live am 21. November 2018 im Admiralspalast Berlin.

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