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Sport - 11.07.2019

Dopingexperte Mario Thevis: „Es gibt sehr viele Risiken“

Doping ist nicht nur im Spitzen-, sondern auch im Breitensport ein großes Problem. Dopingforscher Mario Thevis weist im DW-Interview auf die hohen Gesundheitsgefahren hin, die dopende Amateursportler in Kauf nehmen.

DW: Herr Thevis, im Rahmen der „Operation Viribus“ wurden bei Razzien in 33 Ländern Hunderte Verdächtige festgenommen. Es wurden rund 3,8 Millionen Dopingmittel und gefälschte Medikamente sichergestellt – darunter alleine 24 Tonnen Steroidpulver. Hat Sie die große Menge überrascht?

Mario Thevis: Das Ausmaß der Funde, insbesondere die Kooperation und wie konzertiert die Aktion ablief, war beeindruckend und überraschend. Wir haben allerdings alleine in Deutschland pro Jahr auch Funde von etwa einer Tonne illegaler Substanzen, so dass man sich, wenn man die Gesamtmenge auf die einzelnen Länder herunterbricht, in einem üblichen Rahmen bewegt.

Die Operation zeigt, dass Doping auch im Breitensport ein sehr verbreitetes Problem ist – größer als im Spitzensport. Was treibt die Amateursportler an, verbotene Substanzen zu nehmen, obwohl sie – anders als die Profis – mit ihrem Sport kein Geld verdienen?

Das ist eine gute Frage, und die Antwort findet sich wahrscheinlich eher im Bereich der Sportpsychologie. Oft wird beschrieben, dass Körperkult oder der Wunsch, seine persönliche Bestleistung zu steigern, die Hintergründe des Ganzen sind. Da in diesem Zusammenhang nicht kontrolliert wird und Zugriff und Nutzung dieser Präparate im wahrsten Sinne des Wortes unkontrolliert möglich sind, ist ein besonders hohes Gesundheitsrisiko damit verbunden.

Die Razzien der „Operation Viribus“ haben unter anderem in mehreren Fitnessstudios stattgefunden. Sind solche Einrichtungen die Hauptorte, an denen Amateursportler mit verbotenen Mitteln in Berührung kommen, oder werden auch in anderen Sportarten verbotene Substanzen konsumiert?

Ich denke, dass im Bereich Fitness-Sport durchaus eine größere Verteilung vorliegen könnte als in anderen Sportarten, aber tatsächlich kann man hier keine Sportart ausnehmen. Die jetzige Aktion zeigt einmal mehr, dass es ein größeres Problem ist, das nicht ausschließlich den Leistungs- und Spitzensport betrifft. 

Größere Mengen, unbekannte Präparate

Bei den Sportlern, die verbotene Mittel nehmen, stellt sich eine höhere Leistungsfähigkeit, möglicherweise eine Gewichtsabnahme ein, und sie fühlen sich insgesamt fitter – also gefühlt positive Effekte. Aber: Welche Gesundheitsrisiken nehmen die Konsumenten dabei in Kauf?

Das hängt davon ab, was sie alles zu sich nehmen, welche Mengen und über welchen Zeitraum. Insbesondere bei anabolen Wirkstoffen, bei anabolen Steroiden, sind die langfristigen gesundheitlichen Risiken von besonderer Bedeutung. Da sprechen wir von Herz-Kreislauferkrankungen, beispielsweise auch von der Vertiefung der Stimme bei Frauen, dass sich der Menstruationszyklus verändert oder sogar ausbleibt. Es gibt also sehr viele Risiken, die damit einhergehen.

Hauptsache, schnelles Muskelwachstum: Bei Amateur-Bodybuildern ist die Einnahme von Steroiden weit verbreitet

Aber es gibt auch andere Risiken, die mit der moderaten oder bisweilen völlig fehlenden Qualitätskontrolle bei diesen Produkten zusammenhängen. Das bedeutet, dass man viel größere Mengen zu sich nimmt, als man eigentlich wollte. Oder dass man andere Produkte zu sich nimmt, als man dachte. Das kann gegebenenfalls zu akuten Gesundheitsrisiken führen. Ein Beispiel aus der Vergangenheit: Die konsumierende Person dachte, sie hätte Wachstumshormone bestellt, erhalten und entsprechend auch verabreicht, aber es war kein Wachstumshormon, sondern Insulin. Das ist im schlimmsten Fall sogar lebensgefährlich.

Sportler, die selbst illegale Mittel nehmen, haben durch die „Operation Viribus“ möglicherweise mitbekommen, dass das Risiko aufzufliegen, durchaus gegeben ist. Glauben Sie, dass dadurch ein Umdenken stattfinden kann, oder macht die breite Masse weiter wie bisher?

Ich denke, der eine oder andere hat dadurch eher erkannt, dass es sich hier um illegale Machenschaften handelt und dass es besondere Gesundheitsrisiken gibt, die mit diesen Produkten und Präparaten einhergehen. Wir gehen davon aus, dass es zumindest kurzfristig zu einem Einbruch der Verfügbarkeit der Präparate kommt. Allerdings müssen wir auch nachhaltig in diesem Bereich besonders aufmerksam sein. Und die Kontrollen bei Einfuhr und Handel mit diesen Präparaten müssen aktiv bleiben.

Professor Mario Thevis leitet das Zentrum für Präventive Dopingforschung an der Deutschen Sporthochschule Köln. Der 46 Jahre alte Chemiker und Sportwissenschaftler ist Mitglied der Expertengruppe, die die Verbotsliste der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) weiterentwickelt. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der Entwicklung neuer Nachweisverfahren für die Dopinganalytik.

Das Interview führte Andreas Sten-Ziemons

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