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Wissen - 19.11.2018

Mehr Blüten, mehr Bestäuber: Apfelplantagen profitieren von Artenreichtum

Auf Apfelplantagen sollten auch andere Pflanzen mit Blüten stehen.


Kommerzieller Obstanbau und Artenreichtum scheinen sich auszuschließen. Eine aktuelle Untersuchung zeigt, wie beides möglich ist und zudem den Ertrag in Apfelplantagen steigert. Blühende Pflanzen sind gefragt.

Hecken, Blumen und andere Blütenpflanzen können den Ertrag von Apfelplantagen fördern. Zu diesem Ergebnis kommen europäische Forscher in einer Studie mit 85 Apfeläckern. Mit großer Blütenvielfalt steige die Zahl der Wildbienen, Schwebfliegen und anderer Bestäuber, schreiben sie im "Journal of Applied Ecology". 

Die Autoren hatten 30 Apfeläcker aus der deutschen Bodenseeregion, 28 in Nordspanien (Katalonien) und 27 in Südschweden analysiert. In jeder Region wurde etwa die Hälfte der Obstäcker organisch bewirtschaftet, die andere im integrierten Anbau, bei dem Dünger und Pflanzenschutzmittel zurückhaltend eingesetzt werden. Im Bio-Anbau wurden nur natürliche Pflanzenschutzmittel genutzt.

Für jeden Apfel muss ein Insekt eine Blüte bestäuben.

Bio-Apfeläcker hatten im Schnitt eine um 48 Prozent geringere Ernte als jene mit Pestiziden. Ein Hauptgrund sei der höhere Befall von Schädlingen gewesen, schreiben die Forscher. Dafür hatten die Bio-Äcker pro Ertragseinheit eine um 38 Prozent höhere Artenvielfalt bei Bestäubern und anderen nützlichen Insekten.

Blüten ziehen Bestäuber an

Je mehr blühende Pflanzen im oder am Apfelacker wuchsen, desto höher war die Zahl der Blütenbesuche von Wildbienen und anderen Bestäubern an den Apfelbäumen. Das hatte noch weitere Folgen: "Die Äpfel hatten mehr Kerne, die wichtig für die Apfelqualität sind", sagt Ko-Autorin Alexandra-Maria Klein von der Universität Freiburg.

Zusätzliche Blütenpflanzen und Nutzinsekten waren im Durchschnitt zwar nicht so ertragssteigernd wie Pestzide. "Es gibt aber eine hohe Varianz im Ertrag der Apfelplantagen", sagt Klein. Einige Bioplantagen hatten in der Studie sogar höhere Erträge als Plantagen im integrierten Anbau.

Neue Methoden sind gefragt

Hauptautor Peter Hambäck von der Universität Stockholm schließt daraus, dass es ein großes Potenzial gebe, umweltfreundlichere Kulturmethoden zu entwickeln und zu nutzen und zugleich eine gute Ernte zu erzielen. Obstbauern, die ihre Apfelproduktion erhöhen wollen, sollten Wildblumen im Obstacker fördern, betonte Hambäck.

Bei Äpfeln gelte es zudem nicht wie etwa bei Getreide, dass eine höhere Produktivität zu geringerer Artenvielfalt führe. "Bio-Apfeläcker haben wie erwartet eine höhere Artenvielfalt, das heißt, sie haben mehr Bestäuber und mehr räuberische Insekten", sagt Hambäck. Werde ihre Apfelproduktion gesteigert, senke das die Artenvielfalt jedoch nicht. 

Klein verweist darauf, dass Obstbauern nicht immer auf die Zahl der Äpfel, sondern auch auf die Qualität achten. "Wenn wir auf Bio umstellen, dann geben wir der Natur etwas zurück", sagt Klein. "Mit der intensiveren Landwirtschaft verschwinden Wildbienen und andere natürliche Bestäuber der Natur, insbesondere in homogenen Landschaften."

Doch gerade Wildbienen seien wichtig und oft zuverlässiger als eigens angeschaffte Honigbienen. Zudem sollte sich der Blick der Bürger auf die Äpfel ändern. "Wir werden nicht immer den perfekten Apfel mit dem Bio-Anbau bekommen, die haben schon mal einen Schorf drauf", meint Klein und verweist auf einen Widerspruch:  "Wir schimpfen über Pestizide, kaufen aber nur ganz glatte Äpfel."

Integration von Blüten

Ein Verbundprojekt im Bundesprogramm Biologische Vielfalt untersucht gerade in sechs Regionen Deutschlands, wie sich zusätzliche Blütenpflanzen in den Obstanbau am besten integrieren lassen. "Es geht beispielsweise darum, welche Arten von Wildkräutern man einsäht und wie oft und wann man den Streifen mäht", erläutert Jutta Kienzle von der Fördergemeinschaft Ökologischer Obstbau. Das müsse auch ins Betriebsmanagement der Obstbauern passen, und die Zusatzkosten müssten sich in vertretbaren Grenzen halten.

Erprobt würden etwa Blühstreifen am Zaun entlang und vor allem in der Fahrgasse zwischen den Rädern des Traktors. "Die verbrauchen keine Fläche, sondern werten die Produktionsfläche auf." Vieles müsse noch erprobt werden, so dürften durch die Blütenpflanzen nicht zu viele Schadinsekten für Äpfel auftreten.

"Bei den meisten Bio-Obstbauern steht nicht die Ertragserhöhung im Vordergrund. Ihnen geht es darum, etwas für die Natur und gegen das Insektensterben zu tun", betont auch Kienzle. "Wir wollen die ökologische Vielfalt in den Obstplantagen erhöhen, ohne dass wir den Apfelertrag mindern und ohne Fläche zu verlieren."

In Deutschland sei die Nachfrage nach Bio-Äpfeln in den vergangenen Jahren stark gestiegen, aber auch die Anbaufläche im gewissen Umfang, sagt Diana Schaack von der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (AMI). Bis zur Saison 2015/16 seien dennoch oft 40 bis 50 Prozent der Bio-Äpfel aus dem Ausland gekommen. Inzwischen sei die Fläche des Öko-Apfelanbaus in Deutschland größer – 6100 Hektar im Jahr 2017, was 18 Prozent der deutschen Apfelanbaufläche entspreche. Doch sei selbst bei der guten Ernte in der Saison 2016/17 über ein Viertel der Bio-Äpfel importiert worden, vor allem aus Italien, Österreich, Neuseeland und Argentinien. Das liege neben dem noch nicht zur Vollversorgung ausreichenden Bio-Anbau auch an der Saisonlücke im Juni/Juli.

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